Nierenerkrankungen: Wie könnten Stammzellen helfen?

Der Bedarf an Spendernieren für Transplantationen steigt stetig an. In den westlichen Industrienationen nehmen Bluthochdruck und Diabetes TypII zu, wodurch es vermehrt zu Nierenerkrankungen kommt. Spenderorgane stehen jedoch nicht ausreichend zur Verfügung. Eine Alternative zu Transplantationen könnten Stammzell-basierteTherapien darstellen.

Unsere Nieren tragen zum ausgeglichenen Salz- und Mineralienhaushalt im Blut bei. Außerdem filtern sie Giftstoffe und produzieren mehrere wichtige Hormone. Die Nierenzellen (Nephrone) sind die wichtigsten Arbeitsmittel der Niere.

Nierenerkrankungen werden durch eine Schädigung der Nephrone verursacht, die plötzlich und kurzzeitig (akute Nierenerkrankung) oder langsam und fortschreitend (chronische Nierenerkrankung) sein kann.

Eine chronische Nierenerkrankung kann zu Nierenversagen führen, das zum Tode führt, wenn es nicht mittels Blutdialyse oder einer Nierentransplantation behandelt wird.

Forscher untersuchen, wie Stammzellen den Nieren bei der Reparatur geschädigter Nephrone helfen und die Nierenfunktion wiederherstellen könnten.

Wissenschaftler untersuchen, wie die Nieren in der Lage sind sich zu regenerieren und welche Zellen an diesem Prozess beteiligt sind.

Es ist nach wie vor nicht geklärt, welche Zelltypen an der Nierenregeneration beteiligt sind.

Es gibt mehrere Zellgruppen um die Nephrone, die mit Stammzellen vergleichbare Eigenschaften besitzen. Ein solcher Zelltyp sind sogenannte Renale Vorläuferzellen, eine andere Gruppe hat ähnliche Merkmale wie mesenchymale Stammzellen (MSC), die in der Regel im Knochenmark vorkommen.

Wissenschaftler verwenden auch induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) zur Produktion von dreidimensionalen nephronenartigen Strukturen, die sowohl für Studien über die Entstehung der Nieren im Embryo als auch zur Entwicklung und Testung neuer Arzneimittel und Therapien genutzt werden. Irgendwann ist es vielleicht möglich, diese Zellen zur Bildung neuer Nephrone in geschädigten Nieren zu verwenden.

Studien zur Entstehung der Nieren, zu Nierenerkrankungen und zum natürlichen Reparaturprozess gestalten sich aufgrund der komplexen Strukturen und der großen Vielfalt an Zellen in der Niere sehr schwierig.

Nierenerkrankungen können durch Schäden an verschiedenen Zelltypen in der Niere hervorgerufen werden. Stammzelltherapien werden nur dann wirksam sein, wenn sie berücksichtigten, welche Zellen geschädigt sind und ersetzt werden müssen.

Zelltherapien, welche die natürlichen Reparaturvorgänge fördern, könnten früher als Zellersatztherapien markttauglich sein, doch die Forscher brauchen noch mehr Wissen über den Ablauf der natürlichen Reparaturprozesse, bevor Therapien entwickelt werden können.

Kidneys

Die Niere liegt auf der Rückseite des Körpers etwa 10cm über dem Hüftknochen knapp unterhalb des Brustkorbs. Die Nieren sind als Filterorgan an vielen lebenswichtigen Körperfunktionen beteiligt, darunter die Regulation des Wasserhaushaltes, die Regulation des im Blut gelösten Elektrolytgehalts und das Abfiltern von Giftstoffen aus dem Blut. Darüber hinaus findet die Bildung verschiedener Hormone in der Niere statt. Als Beispiele hierfür seien Erythropoietin (EPO), welches im Knochenmark die Bildung von roten Blutkörperchen anregt, sowie Calcitriol (die aktive Form von Vitamin D3), welches in Knochen und Zähnen  die Aufnahme  und Einlagerung von Kalzium und Phosphat fördert, ebenso wie das Enzym Renin, das eine wichtige Funktion bei der Kontrolle des Blutdrucks hat, genannt.

Die funktionelle Hauptkomponente der Niere ist das Nephron.

Das Nephron
Das Nephron - die funktionelle Grundeinheit der Niere: Die klarsten Hinweise für Stammzellen in adulten Nieren gibt es derzeit für den Bereich des Harnpols (blau markiert).

Aufbau des Nephrons

  • Das Glomerulum- ein dichtes Netzwerk an Kapillaren, die das Blut filtrieren
  • Bowman-Kapsel – umschließt das Glomerulum, fängt die Flüssigkeit auf, die aus dem Blutstrom ausfiltriert wurde und leitet es in die Tubuli ab
  • Die Tubuli - winzige Röhrchen, die mit einer Schicht von spezialisierten Zellen ausgekleidet sind, haben als Hauptaufgabe Wasser und Elektrolyte (zB Natrium, Kalium, Chlorid und Bicarbonat) in das Blut zu resorbieren, bevor die verbleibendende Flüssigkeit den Körper als Urin verlässt

Microscope image of kidney tissue showing tubules.
Mikroskopische Aufnahme von Nierengewebe, die Tubuli zeigt. Ein Röhrchen ist hervorgehoben. Zu sehen sind Epithelzellen (blau), Zellkerne (grün) und die Tubuli Lumen (dunkle Mitte).

 

Nierenerkrankungen sind in der Regel mit Schäden an den Nephronen verbunden und können akut oder chronisch sein. Bei akuten Nierenerkrankungen gibt es einen plötzlichen Abfall der Nierenfunktion. Akutes Nierenversagen wird meist durch den Verlust von großen Mengen an Blut oder einen Unfall verursacht und ist oft nur von kurzer Dauer, kann aber gelegentlich zu einer dauerhaften Nierenschädigung führen. Chronisches Nierenversagen (CNV) ist als Verlust von einem Drittel oder mehr der Nierenfunktion für mindestens drei Monate definiert. Im Fall einer CNV verschlechtert sich die Nierenfunktion im Laufe mehrerer Jahre. Dies geschieht oft unentdeckt, weil ihre Auswirkungen zunächst relativ mild sind. Einige der Symptome von CNV sind: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Bluthochdruck, Juckreiz, Wassereinlagerungen undAtemnot.

Nierenerkrankungen können zu Nierenversagen (weniger als 10% der Nierenfunktion) führen. Sobald dies geschieht, müssen die Patienten eine Dialysebehandlung oder eine Nierentransplantation erhalten um am Leben zu bleiben. Das Risiko an CNV zu erkranken nimmt altersbedingt und durch Diabetes, Bluthochdruck , Übergewicht und Rauchen zu. Derzeit leiden mindestens 8% der europäischen Bevölkerung (40 Millionen Menschen) an verschieden ausgeprägten Formen einer Niereninsuffizienz mit dem Risiko früher oder später ein Nierenversagen zu erleiden. Diese Zahl steigt jedes Jahr und es gibt nicht genug Organspender um so viele Patienten durch eine Transplantation zu heilen. Dies macht die Entwicklung neuer Therapieoptionen für die Behandlung von CNV immer wichtiger.

Derzeit wird unter Wissenschaftler noch diskutiert, welche Nieren-Stammzellen es im erwachsenen Körper gibt und welche Rolle sie im natürlichen Reparaturprozess der Niere spielen. Zellen die an verschiedenen Orten innerhalb der  Nephrone gefunden wurden sind als Kandidaten für Nierenstammzellen vorgeschlagen worden. Der bisher überzeugendste Beweis für die Existenz solcher Stammzellen ist die Entdeckung einer Gruppe von Renaler Vorläuferzellen im Urinpol der Bowman-Kapsel des Nephrons (blau im obigen Diagramm dargestellt). Diese Zellen weise einige der wichtigsten Merkmale von Stammzellen auf und Forscher konnten für sie nachweisen, dass sie für die Produktion von Podozyten verantwortlich sind. Podozyten sind spezialisierte Zellen, die bei der Filtrationstätigkeit des Nephrons beteiligt sind und kontinuierlich während unserer Lebenszeit ersetzt werden. Studien deuten darauf hin, dass die vorgeschlagenen Vorläuferzellen eine weitere Art von spezialisierten Zellen erzeugen die im Nephron auftreten. Neben Stammzellen der Niere wurden auch Zellen aus der Niere isoliert, die einige der Merkmale von mesenchymalen Stammzellen aufweisen.

Possible kidney stem cells, growing in the lab
Potentielle Nierenstammzellen – gezüchtet im Labor

 

Es wurden bereits verschiedene Typen von Zellen aus dem Knochenmark von Tieren und in klinischen Studien für die mögliche Verwendung bei Nierenerkrankungen getestet. Von den bisher untersuchten Zellen hat ein Zelltyp, der gemeinhin als mesenchymale Stammzellen (MSCs) bezeichnet wird, die vielversprechendsten Ergebnisse gezeigt. Studien deuten darauf hin, dass MSCs möglicherweise die intrinsische Fähigkeit der Niere, sich selbst zu reparieren, verbessern können..

Forscher, die die therapeutische Wirkung von aus dem Knochenmark stammenden  MSCs in der erkrankten Niere untersucht haben, vermuten, dass diese Zellen Proteine freisetzen, die helfen, Nierenzellen zum Wachstum anzuregen, den Zelltod hemmen und womöglich die Stammzellen in der Niere veranlassen, Nierenschäden zu reparieren. Aktuelle klinische Studien testen derzeit, ob MSCs aus dem Knochenmark effektiv für die Behandlung von Patienten mit Nierenerkrankungen eingesetzt werden können (ClinicalTrials.gov NCT02057965, NCT02387151).

Zellen mit ähnlichen Eigenschaften wie MSCs scheinen auch ausser  im Knochenmark auch in vielen anderen Organen aufzutreten, es wird allerdings unter Wissenschaftlern noch kontrovers diskutiert durch was sich diese Zellen genau ausweisen und welche Funktionen sie im Körper haben. Vor kurzem wurden die Zellen mit MSC-ähnlichen Charakteristika aus der Niere isoliert. Diese so genannten Nieren-MSCs sind deutlich verschieden von Knochenmarks-MSCs und Herz-MSCs. Mehr Forschungsarbeit ist notwendig, um ihre genaue Rolle der Aufrechterhaltung der Nierenfunktion zu identifizieren und deren Potenzial, bei der Unterstützung der Nierenregeneration nach Schäden zu untersuchen.

Eine weitere Art von Stammzellen, die Wissenschaftler in der Nierenforschung untersuchen sind die induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS). Induzierte pluripotente Stammzellen werden durch Reprogrammierung adulter, d.h. spezialisierter Zellen des Körpers erzeugt und verhalten sich dann wie embryonale Stammzellen. Sie haben die Fähigkeit, sich in eine beliebigen Zelle oder Gewebe im Körper zu differenzieren. Kürzlich haben Forscher eine Methode entwickelt, um aus iPS-Zellen Nierenzellen eines sehr frühen Entwicklungsstadiums zu erzeugen. Diese sehr frühen Nierenzellen ähneln Zellen im Embryo, die im Laufe der fetalen Entwicklung schließlich die Niere bilden. Diese Zellen haben möglicherweise das Potenzial, Glomeruli und Tubuli, die Bausteine des Nephrons, zu bilden. Bevor derartige Zellen verwendet werden können um Patienten mit CNV zu behandeln, ist noch sehr viel Forschungsarbeit nötig.

Eine weitere Alternative zur Organtransplantation, die derzeit untersucht wird und Patienten mit Nierenerkrankungen in der Zukunft möglicherweise helfen wird ist die Verwendung von Organgerüsten um ganze, transplantierbaren Organe herzustellen. Organgerüste sind Organe aus denen alle Zellen künstlich entfernt wurden. Was bleibt, ist die extrazelluläre Matrix - der Teil des Organs, der die mechanische Struktur unterstützt. Auf dieser Matrix können dann Patienteneigenen Zellen ausgesät werden, die intensiv gepflegt werden und sich vermehren bis das gesamte Gerüst wieder mit den passenden Zellen bedeckt ist. Durch die Verwendung von Patienteneigenen Zellen werden mögliche Komplikationen durch die Immunabwehr, die bei Organtransplantationen auftreten können, drastisch reduziert. Die Herausforderung bei diesem Ansatz - vor allem in Organen mit komplexen Strukturen aus vielen verschiedenen Zellen - ist die Identifizierung und Beschaffung der richtigen Arten von Zellen, die als Saatgut für die Besiedlung des Gerüstes dienen sollen. iPSCs könnten Kandidatenzellen für die Aussaat von Zellen auf Nierenorgangerüsten sein. Die Machbarkeit dieses Ansatzes konnten bereits durch Versuche an Ratten gezeigt werden.

Ausser dass Knochenmarks-MSCs in klinischen Studien untersucht werdn um Pateinten mit Nierenerkrankungen zu behandeln (ClinicalTrials.gov NCT02057965, NCT02387151), sind noch keine

Stammzell-Therapien für Nierenerkrankungen entwickelt worden. Die Niere ist ein sehr komplexes Organ, bestehend aus einer großen Anzahl von verschiedenen Typen von Zellen. Um eine neue Niere im Labor zu erzeugen, müssen all diese verschiedenen Zellen auf jeweils eine andere Art und Weise hergestellt werden und anschließend zusammengebracht werden, in der Hoffnung, dass sie schließlich eine neue, funktionelle Niere bilden. Erschwerend kommt hinzu, dass Nierenerkrankung in vielen verschiedenen Variationen auftreten, die jeweils verschiedene Zellen beeinflussen. Behandlungen mit dem Ziel, geschädigte Zellen in der Niere eines Patienten zu ersetzen, müssen auch in der Lage sein, verschiedene Arten von Zellen für unterschiedlich Patienten bereitzustellen . Forschung mit dem Ziel Organ- oder Zellersatztherapien zu etablieren sind im Gange, aber Erfolge sind hier eher ein langfristiges Ziel.

In der Zwischenzeit können Stammzellen auf andere Weise für Patienten nützlich sein. Zum Beispiel können Stammzellen verwendet werden, um die Krankheit durch Studien über die Entwicklung und das Verhalten von Nierenzellen, die in großen Mengen im Labor gezüchtet werden, besser zu verstehen . Die Stammzellforschung kann uns auch ermöglichen, die körpereigenen Reparaturmechanismen zu verstehen und zu nutzen, um Behandlungen für Nierenerkrankungen zu finden. Bei akuten Nierenerkrankungen, kann der Körper oft Nierenschäden selbstständig reparieren, diese Fähigkeit ist allerdings nicht ausreichend ausgeprägt, um die fortschreitende Schädigung, die bei chronischen Nierenerkrankungen auftritt, völlig rückgängig zu machen. Die kürzlich gemachte Entdeckung von Zellen in der Niere, die mesenchymalen Stammzellen ähnlich sind, eröffnet neue Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen Fähigkeit des Körpers zur Regeneration und Reparatur von geschädigten Nieren. Die Untersuchung, wie diese neu entdeckten Zellen arbeiten, ist derzeit ein wichtiges Forschungsgebiet. Wissenschaftler in der Stammzellforschung erforschen auch weiterhin mit neuen Technologien, wie Zellen umprogrammiert werde können um deren Verhalten zu ändern.

Die Informationen auf dieser Seite wurden von Brigitte Wieles zusammengestellt und überprüft von Ton Rabelink, dem Koordinator des STELLAR-Projekts der EU.

Bilder und Diagramme des Nephron stammen von EuroStemCell unter Verwendung von Servier Medical Art. Bilder von Nierenstammzellen stammen von Brigitte Wieles. Mikroskopaufnahmen der Nierentubuli sind von J JWSchmidt. Grandmother and grandchild © iStock/grandriver.