Regeneration des Thymus

Um im Laufe unseres Lebens immer wieder Infektionen abwehren zu können, braucht unser Körper ein Immunsystem. Der Thymus spielt in diesem Immunsystem eine wichtige Rolle. Mit zunehmendem Alter schrumpft er jedoch und wird schwächer. Auch einige Medikamente können den Thymus schädigen. Kann die Stammzellenforschung helfen, einen Thymus wiederherzustellen, der nur noch eingeschränkt oder gar nicht funktioniert? Und in welchen Fällen wäre das von Nutzen?

Im Kampf gegen Infektionen setzt unser Immunsystem die so genannten T-Zellen ein, eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen. Die T-Zellen werden im Thymus ausgebildet. Der Thymus ist daher unverzichtbar für ein gesundes Immunsystem.

Mit zunehmendem Alter baut der Thymus ab. Er schrumpft und ist immer weniger in der Lage, die T-Zellen zu bilden, die der Körper so dringend braucht, um Infektionen abzuwehren.

Bisher gibt es nur wenige Therapieansätze, mit denen sich die Thymusfunktion verbessern oder wiederherstellen lässt.

Wenn es jedoch möglich wäre, den Thymus zu regenerieren, könnte man dadurch das Immunsystem stärken und eine Reihe von Krankheiten behandeln, die den Thymus angreifen. Hierzu zählt beispielsweise das DiGeorge-Syndrom.

Da der Thymus eine so wichtige Rolle für die Gesundheit des Immunsystems spielt, erforscht die Wissenschaft aktuell Möglichkeiten, Stammzellen zur Reparatur bzw. Regeneration dieses Organs einzusetzen.

So hat man beispielsweise so genannte Vorläuferzellen – Zellen, die Stammzellen ähnlich sind – von einer gesunden Maus in eine Maus ohne Thymus transplantiert und festgestellt, dass sich die transplantierten Zellen zu einem voll funktionsfähigen Thymus entwickelten.

Zwei wichtige Forschungsfragen werden aktuell bearbeitet:

  1. Wie lässt sich Thymusgewebe für Transplantationszwecke im Labor herzustellen?
  2. Und wie kann man die Selbstregeneration von geschädigten oder altersbedingt degenerierten Thymi (Mehrzahl von Thymus) anregen?

Viele der aktuellen Forschungsprojekte, in denen die mögliche Nutzung von Stammzellen zur Regeneration und Reparatur des Thymus untersucht wird, verwenden Mäuse als Versuchstiere. Die große Herausforderung besteht nun darin zu erforschen, ob sich diese Forschungsergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. Will man zum Beispiel erforschen, ob auch menschliche Thymus-Vorläuferzellen nach der Transplantation einen funktionsfähigen Thymus hervorbringen, so muss man erst einmal herausfinden, wie sich diese Thymus-Vorläuferzellen in ausreichender Menge im Labor züchten lassen.

Über den Thymus

Der Thymus ist das Organ im Körper, in dem die T-Zellen – eine bestimmte Art weißer Blutkörperchen – gebildet werden. Ohne T-Zellen kann unser Körper sich nicht vor Infektionen schützen und abnormale Zellen wie beispielsweise Krebszellen nicht wirkungsvoll bekämpfen.

Durch den normalen Alterungsprozess schrumpft der Thymus. Außerdem kann er durch genetische bedingte Störungen, chronische Infektionen und einige medizinische Verfahren geschädigt werden.

Eine eingeschränkte oder gestörte Thymusfunktion kann zur Folge haben, dass der Körper nicht genug T-Zellen ausbildet, um sich ausreichen zu schützen – man nennt das Immunschwäche. Möglicherweise produziert der geschädigte Thymus auch T-Zellen, die den Körper selbst angreifen. Dies nennt man Autoimmunität.

Das DiGeorge-Syndrom ist eine genetisch bedingte Krankheit, bei der der Thymus verkümmert ist oder ganz fehlt. Dies kann zu schwerer Immunschwäche und ernsten Autoimmunerkrankungen führen. Es gibt auch medizinische Verfahren mit Thymus-schädigenden Nebenwirkungen. Chemotherapie und Strahlentherapie – beides gängige Verfahren zur Behandlung von Blutkrebsarten wie Leukämie und Lymphomen – zerstören nicht nur ausgewachsene T-Zellen, sondern fügen auch dem Thymus schwere Schäden zu. Damit nach einer Knochenmarktransplantation neue T-Zellen gebildet werden können, ist es wichtig, dass die Thymusfunktion wiederhergestellt wird. Bei einigen Patienten geschieht dies nur verzögert. Diese Verzögerung geht mit einem erhöhten Infektionsrisiko und schlechten Behandlungsergebnissen einher.

Bisher gibt es nur wenige klinisch erprobte Verfahren, mit denen sich die Thymusfunktion verbessern oder wiederherstellen lässt. Es gibt jedoch verschiedene Forschungsansätze:

  1. Ein bereits existierendes Verfahren ist die Thymus-Transplantation, mit der das genetisch bedingte Fehlen des Thymus – zum Beispiel bei Patienten mit DiGeorge-Syndrom – behandelt werden kann. Dieses Verfahren kann jedoch nur bei Patienten ohne Thymus und ohne T-Zellen durchgeführt werden, da die körpereigenen T-Zellen des Patienten den transplantierten Thymus angreifen und abstoßen würden. Bisher können zur Transplantation nur Thymus-Fragmente verwendet werden, die als Nebenprodukt bei Herzoperationen an sehr jungen Patienten anfallen.
  2. Das Protein Interleukin-22 kann bei der Genesung von Thymi helfen, die durch Chemo- oder Strahlentherapie geschädigt wurden. In einer klinischen Studie der Phase II wird derzeit der therapeutische Einsatz dieses Proteins bei Patienten untersucht, deren Körper das Transplantat nach einer Knochenmarkstransplantation abstößt. Die Anzahl an T-Zellen, die nach der Behandlung neu gebildet werden, lässt sich messen und bietet so einen Nachweis dafür, ob das Protein den Thymus anregt und als potenzielles therapeutisches Mittel eingesetzt werden kann.
  3. Auch ein weiteres Protein, das so genannte Interleukin-7, zeigt vielversprechende Ergebnisse: In mehreren vorklinischen Studien wirkte es sich begünstigend auf die Immunregeneration aus, und bei klinischen Studien wurde es mit einer Steigerung der Anzahl von T-Zellen in Verbindung gebracht. Inwieweit Interleukin-7 einen direkten Einfluss auf die Wiederherstellung des menschlichen Thymus hat, muss noch eingehend untersucht werden.
  4. Mehrere klinische Studien haben ergeben, dass sich die Thymus-Regeneration durch den Einsatz des menschlichen Wachstumshormons fördern lässt.
  5. In vorklinischen und klinischen Studien konnten die Forscher nachweisen, dass sich das Thymuswachstum fördern und somit die Produktion von T-Zellen steigern lässt, indem man die Produktion von Sexualhormonen (Sexualsteroiden) chemisch oder durch chirurgische Eingriffe hemmt.

Im Thymus von Mäusen haben Wissenschaftler Vorläuferzellen – Stammzellen-ähnliche Zellen – entdeckt, die nach einer Transplantation einen Thymus ausbilden können. Außerdem erkunden die Forscher Möglichkeiten, einerseits eine bessere Regeneration des körpereigenen Thymus anzuregen und andererseits Thymusgewebe zu Transplantationszwecken zu züchten. Hierzu werden unterschiedliche Stammzellentypen und Ansätze verwendet:

1. Einsatz von Gewebestammzellen

Transplantiert man Thymuszellen von einer Maus in eine andere Maus, so bilden diese einen funktionsfähigen Thymus heraus, der T-Zellen produzieren kann. Ob dies auch für Vorläuferzellen menschlicher Thymuszellen gibt, muss noch erforscht werden. Bevor dieser Ansatz klinisch genutzt werden kann, muss die Wissenschaft außerdem eine Methode finden, mit der sich diese Thymus-Stammzellen im Labor züchten lassen – und das in einer für Transplantationen ausreichenden Menge.

2. Einsatz von pluripotenten Stammzellen

Es ist bereits gelungen, Thymus-ähnliche Zellen aus pluripotenten Zellen im Labor zu züchten. Entsprechende Versuche wurden mit pluripotenten Zellen von Mäusen und von Menschen erfolgreich durchgeführt. Wenn sich diese Ergebnisse so verbessern ließen, dass die im Labor gezüchteten Zellen mit den körpereigenen Zellen identisch sind, wäre der Weg zur Herstellung menschlichen Thymusgewebes zu Transplantationszwecken geebnet. Eine mögliche Lösung für das Problem der Immunabstoßung besteht darin, induzierte pluripotente Stammzellen aus Körperzellen des Patienten herzustellen und aus diesen Thymuszellen zu erzeugen.

The image shows a thymus organoid, which is a small ball of cells capable of forming a thymus when transplanted. Thymus cells are stained purple.
Darstellung eines Thymus-Organoids (im Labor gezüchtetes Mini-Organ) mit Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Die Thymuszellen sind dunkellila gefärbt. Bei den hellrosa Zellen handelt es sich um Nierenzellen. Bildquelle: Nick Bredenkamp.

3. Reprogrammierung anderer Gewebezellen

Wissenschaftler waren bereits in der Lage, im Labor menschliche „prä-T-Zellen“ (Zellen, die zu T-Zellen werden und diese ausbilden) aus menschlichen Blut-Vorläuferzellen zu erzeugen. In Versuchen, bei denen Mäusen diese Zellen transplantiert wurden, konnten vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Erholung des Immunsystems nach einer Knochenmarkstransplantation erzielt werden. Die prä-T-Zellen werden zum Zeitpunkt der Behandlung eingepflanzt und reifen im Körper des Patienten zu T-Zellen heran.

Laufende Studien weisen eine Möglichkeit auf, Bindegewebszellen – so genannte Fibroblasten – im Labor in Thymus-Vorläuferzellen umzuwandeln. Dieses Verfahren nennt man „Reprogrammierung“. Transplantiert man Mäusen diese Zellen, so bilden sie einen funktionsfähigen Thymus, der ganz normal T-Zellen produziert. Falls sich dieser Ansatz auf menschliche Zellen übertragen ließe, könnten diese Laborzüchtungen als alternative Zellquelle für Thymustransplantationen dienen. Darüber hinaus werden die im Labor hergestellten Thymuszellen genutzt, um die Thymusfunktion zu erforschen und verfeinerte Verfahren zur Herstellung von Thymi bzw. Mini-Thymi (so genannten Organoiden) im Labor zu testen. Diese könnten für Transplantationen und Arzneimitteltests verwendet werden.

Mit etwas mehr Zeit und den erforderlichen Ressourcen wird die Wissenschaft hoffentlich neue Wege zur Wiederherstellung der Thymusfunktion entwickeln und so vielen Patienten helfen können..

Zum ersten Mal ist es Forschern gelungen, in einem lebenden Versuchstier ein komplexes und voll funktionsfähiges Organ aus Zellen heranzuzüchten, die im Labor hergestellt wurden. Das Team erschuf einen Thymus. Dieses Organ liegt im Körper direkt neben dem Herzen und produziert die so genannten T-Zellen – Immunzellen, die der Körper zur Abwehr von Krankheiten braucht. Dieser wissenschaftliche Fortschritt könnte die Entwicklung von laborgezüchteten Organen vorantreiben.

Dieser Artikel wurde von Amanda Holland, Emma Kemp, Cathy Southworth und Amy Hansen verfasst und von Clare Blackburn und Marcel R.M van den Brink redigiert.

Bilder und Videos

(Sofern nicht anders angegeben, liegen die Urheberrechte bei der jeweils genannten Quelle)

Abbildung der Lage des Thymus im menschlichen Körper © Cameron Duguid (CC BY 3.0)

Thymus-Organoid mit Hämatoxylin-Eosin-Färbung © Nick Bredenkamp

Animation des Thymus-Inneren zur Illustration der Thymusfunktion © Cameron Duguid, Clare Blackburn, Emma Kemp, Cathy Southworth und Paul Rouse (CC BY 3.0)

Video, in dem die Züchtung eines Thymus im Labor von Clare Blackburn beschrieben wird © Medical Research Council